Medienkompetenz 1

Einführung

Seit ich mich erinnern kann, bin ich immer neugierig gewesen und wollte den Dingen, die mich interessieren auf den Grund gehen. Diese Eigenschaft ist mir bis heute geblieben.

Ich habe schon in einem anderen BLOG erwähnt, dass ich mich bis ca. 2011 ausgezeichnet informiert fühlte. Meine Informationsquellen waren der ORF, dem ich vollkommene Unabhängigkeit und Seriosität in der Berichterstattung unterstellte. Außerdem habe ich noch gelegentlich die Tageszeitung "Kurier" gelesen.

Meine Eltern haben diese seit vielen Jahrzehnten abonniert. Um lokal auf dem Laufenden zu bleiben schäme ich mich nicht, auch den "Osttiroler Bote" zu erwähnen. Ich nehme an, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich behaupte, dass zumindest bis vor nicht allzu langer Zeit annähernd jeder Haushalt im Bezirk Lienz (Osttirol) dieses wöchentlich erscheinende Informationsmedium konsumierte. Beweisen kann ich diese Tatsache natürlich nicht.

Andere Quellen wie Bücher oder Internet hielt ich in meinem Fall für Zeitverschwendung. Ich konsumierte meine täglichen Informationssendungen, danach Unterhaltung im TV, Arbeit an diversen Webseiten, Arrangieren von Noten für meine Schüler aber auch für verschiedene Musikgruppen, oder ich widmete mich einem meiner Hobbys z. B. der Fotografie. Natürlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass meine Familie vor allem in der Zeit, als meine Kids noch klein waren, sehr viel Aufwand für mich bedeuteten. Jeder der Kinder und Familie hat, weiß was ich meine ;-)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich

In Österreich haben wir, wie in Deutschland, der Schweiz und vielen weiteren Ländern, öffentlich-rechtliche Medien. Das bedeutet kurz gesagt, dass Österreichische Bürger, die diese Medien konsumieren, eine monatliche Abgabe dafür bezahlen müssen. Die GIS (Gebühren Info Service GmbH) ist für die Einbringung dieser Gebühren verantwortlich. In Österreich muss jeder Haushalt, der über empfangsbereite TV oder Radio-Geräte verfügt, GIS Gebühren bezahlen, egal ob der ORF empfangen werden kann oder nicht - Stichwort ORF-Karte - sofern das Gebiet terrestrisch versorgt wird. Wer mehr darüber erfahren will, einfach Wikipedia bemühen.

Der Grundgedanke von öffentlich-rechtlichen Medien ist sehr gut. Da nämlich die Bevölkerung selbst den ORF finanziert, kann dieser die Bürger frei und unabhängig informieren und ist keiner Staatsagenda unterworfen. Diese Maßnahme wurde nach dem 2. Weltkrieg getroffen, damit Kriegspropaganda nicht mehr über Massenmedien, allen voran Radio oder das später entstandene Fernsehen, verbreitet werden kann. Also allen fundamentalistischen Gegnern der GIS-Gebühren sei angeraten, über solche Dinge auch einmal nachzudenken. Was derzeit draus geworden ist, ist vermutlich nicht unbedingt im Sinne der Erfinder.

Damit ich meine angesprochene Vermutung etwas untermauern kann, möchte ich hier kurz eine Info-Sendung des ORF aus meiner persönlichen Sicht analysieren.

Die tägliche Informationsendung des ORF - Zeit im Bild 

Ich nehme als Beispiel die Sendung vom 9. Juni 2020 ohne einen speziellen Grund dafür. Es ist im Prinzip jede ZIB sehr ähnlich im Aufbau. Das ist meine ganz persönliche Analyse einer Informationssendung. Jeder Leser kann und soll sich selbstverständlich gerne seine eigene Meinung bilden. Hier sind nur meine eigenen Gedanken niedergeschrieben, die vielleicht den oder die eine oder andere zum Nachdenken anregen.

Die ZIB 2 beginnt meist um 22:00 Uhr im zweiten ORF-Kanal. Erst kommt eine Signation mit fanfarenähnlichem Charakter - BTW ich hasse elektronische Musik, die verzweifelt versucht Blechbläser zu imitieren, ohne auch nur annähernd an diese Klänge heranzukommen. Es gäbe unzählige großartige Musiker in diesem Segment, die in kürzester Zeit eine ähnliche Signation mit wesentlich angenehmeren Klang hätten einspielen können. Aber so what …

Mit dieser Hintergrundmusik kommt dann auch schon der Meldungsüberblick, damit man sich sogleich zurecht findet, was einem erwarten.

 ZIB 2

Der erste Beitrag ist dem Tagesthema Nr. 1 gewidmet und dauert über vier Minuten, was mit Abstand der längste Beitrag ist. In diesem werden mehrere Interviews gezeigt. Sämtliche Menschen, die in dieser Sendung zur Sprache kommen, reden bereits, wenn der Nachrichtensprecher noch den Gesprächspartner ankündigt. Dann kommen ein, maximal zwei Sätze des Gastes. So ein Ausschnitt dauert wenige Sekunden und ist auf eine homöopathische Kernaussage des Interviews beschränkt.

Ich frage mich jetzt, warum nicht das ganze Interview zu sehen ist? War der Rest für den Zuseher nicht interessant? Wer entscheidet, was zu hören ist und was nicht? Diese Fragen sind von entscheidender Bedeutung, wenn man von Medienkompetenz spricht. Denn hier steht der Steuerung des Informationsflusses Tür und Tor offen. Aussagen können aus dem Zusammenhang gerissen werden. Was der Redakteur nicht zum Konsumenten transportieren will, wird kurzerhand herausgeschnitten. Das wars. Es wurde weder gelogen, noch etwas falsch gemacht. Selbstredend ist man als ORF vollkommen legal unterwegs und manipuliert trotzdem den Informationsgehalt des Beitrages massiv.

Danach kommt ein langes Interview mit einem Politiker. Hier wird die komplette Fassung präsentiert und das ist gut so. Der Interview-Partner kann zu allen Fragen ausführlich Stellung nehmen. Armin Wolf ist bekannt für seine kritische Art der Gesprächsführung. Dafür bekommt er von meiner Seite großes Lob zugesprochen.

Danach kommen weitere Beiträge mit Sendezeiten von 01:30, 00:36, 3:16, 02:57 min. Darauf folgt ein weiterer Meldungsüberblick (01:32). In dieser kurzen Zeit werden vier Themen angesprochen. Man kann sich selbst ausrechnen, dass für jeden Meldung nur noch Sekunden zur Verfügung stehen. Nicht genug. Am Anfang der Meldungsübersicht wird darauf hingewiesen, dass nachher noch ein Beitrag über eine Chinesische Schriftstellerin kommt. Dann Wetter und Abschied. Gesamtlänge der ZIB 2 26:36 min.

Fassen wir zusammen

In dieser Sendung wurden vom Wetter abgesehen 11 Themen angesprochen. Eines davon ausführlich. Ich habe einen Selbsttest gemacht und aufmerksam diese Sendung verfolgt. Daher war ich schon wesentlich konzentrierter bei der Betrachtung, als ein durchschnittlicher TV-Konsument um 22:00 Uhr, der vielleicht bereits das eine oder andere Gläschen intus hat. Trotzdem habe ich es nicht geschafft, alle Themen am Ende aufzuzählen, die vorgekommen sind. Vor allem die Spionage-Affäre ist mir komplett entfallen. Details habe ich mir höchstens drei bis vier merken können. Der Rest wurde in dem Augenblick vergessen, in dem die nächste Schlagzeile präsentiert wurde.

Die Details, die mir in Erinnerung geblieben waren, sind jene, die schon oft in den Medien vorgekommen sind. Beispielsweise Ibiza, Reisefreiheit nach Italien, George Floyd und selbstverständlich der Wuhan Lockdown. Alle diese Themen sind bereits durch ständige Wiederholung in meinem Kopf vorhanden. Es werden immer wieder die selben Wörter und Geschehnisse angesprochen, damit diese sich alle braven Bürger unseres Landes leicht merken können. Wer kannte vor Jänner 2020 Wuhan? Ich jedenfalls hatte von dieser Stadt noch nie aktiv etwas gehört.

Fazit

Die 26 komma irgendwas Minuten, die ich in das Betrachten der ZIB 2 vom 9. Juni 2020 investiert habe, sind für mich verlorene Zeit. Die Informationen, die ich dadurch erhalten habe, sind nicht in meinem Gedächtnis geblieben und haben nicht dazu beigetragen, mich weiterzubilden. Ganz im Gegenteil. Mit der Präsentation der Interviews hat mich der ORF aktiv versucht zu manipulieren, damit ich eine bestimmte Meinung oder Haltung zu einem Thema einnehme. Durch die gezeigten Bilder wurden in mir Emotionen wie Hass, Abscheu, aber auch Angst angesprochen. In Erinnerung ist mir geblieben: HC Strache ist ein korrupter Verbrecher und versucht seine Taten zu vertuschen, Donald Trump ist ein durchgeknallter Idiot, sein Gegenspieler ist smart, die Chinesische Regierung ist menschenverachtend, Amerikanische Polizisten sind sadistische Mörder und in Wuhan wurden millionen Menschen gegen ihren Willen eingesperrt. Das könnte so bei uns nie passieren … oder ;-)? Vermutlich ist nicht eine dieser Behauptungen voll umfänglich der Wahrheit entsprechend. Diese sind durch die Nachrichtensendung in mein Gedächtnis eingepflanzt worden. Ich denke aktiv über solche Zusammenhänge nach und wehre mich sofort gegen einfache Urteile, aber macht das jeder ZIB-Seher?

Natürlich will ich nicht alles schlecht reden, was der von uns Bürgern "zwangsfinanzierte" ORF so an Berichterstattung liefert. Die Interviews mit Armin Wolf sind immer sehr attraktiv, oft  unterhaltsam und belustigend. Einige Beiträge und Dokumentationen sind durchaus interessant und bilden weiter. Aber der ORF informiert weitestgehend regierungskonform und zu wenig kritisch, teilweise sogar offensichtlich manipulativ und er setzt bewusst Propagandatechniken ein. Das denke ich beweisen nicht zuletzt die jüngsten Ereignisse rund um die Corona-Krise. Aus meiner Sicht ist der ORF wie auch alle anderen Österreichischen Leitmedien ungeeignet, um sich sachlich, ausgewogen und neutral über ein Thema zu informieren. Welche Möglichkeiten ich gefunden habe, dieses Problem zu lösen, möchte ich in einem meiner nächsten Beiträge beschreiben.

Vielen Dank für Ihr Interesse an meinen Gedanken.

Stefan Girstmair

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