Im Grunde genommen habe ich mich schon immer gefragt, warum unsere Fahrzeuge nicht mit Strom, gespeichert in Akkus fahren. Als Kind kannte ich die ferngesteuerten Spielzeugautos die alle mit Batterien betrieben wurden. Es war mir nicht klar, dass in den damaligen Akkumulatoren auf Blei-Basis nicht annähernd genügend Energieinhalt im Verhältnis zum Gewicht gespeichert werden konnte.
Mit etwas mehr Information zum Thema war schnell klar, mit Blei-Akkus sind Reichweiten von 100 km oder mehr und eine halbwegs akzeptable Performance vollkommen unmöglich.
Fasziniert haben mich die experimentellen Rennen mit Sonnenenergie. Hier sind die Fahrzeuge so gut es geht energieoptimiert und haben mit Alltagsfahrzeugen nichts gemeinsam, außer dass sie mit mehreren Rädern auf Asphalt fahren.
Bilquelle: Hideki Kimura, Kouhei Sagawa
Ein kurzer Beitrag zu diesem Thema können Sie bei Interesse hier finden: https://www.photovoltaik.org/wissen/world-solar-challenge
Wenn man sich eingehend mit den Gesetzen der Physik beschäftigt wird schnell klar, dass die Fortbewegung mit einem gewöhnlichen Personenkraftwagen extrem energieaufwändig ist. Es sind ein bis zwei Tonnen Material ansprechend zu beschleunigen, auf Geschwindigkeit zu halten, gegen Roll- bzw. Luftwiderstand anzukämpfen, bei Bedarf wieder abzubremsen, im Winter warm und im Sommer kühl zu halten, Strom für Licht und Bordelektronik zu liefern etc. etc. Bis vor nicht allzu langer Zeit waren ausschließlich Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor dazu in der Lage, da der Energieinhalt von Benzin bzw. Diesel im Verhältnis zum Gewicht sensationell hoch ist. Außerdem wurden die Motoren über ein ganzes Jahrhundert durch Wissenschaft und Forschung optimiert, damit sie so effizient wie möglich arbeiten.
Die im Folgenden angeführten Zahlen stammen von mehreren verschiedenen und unabhängigen Quellen. Sollten dennoch Fehler oder falsche Zahlen von mir benutzt werden, dann würde ich mich über eine E-Mail mit den korrekten Daten incl. Nennung der Quelle sehr freuen. Selbstverständlich gehe ich nicht davon aus, dass ich alleine recht habe und meine Recherche die einzig richtige ist. Daher empfehle ich jedem Leser: glauben Sie nicht mir, sondern recherchieren Sie selbst. Das ist gesund für das Gehirn und bringt meist großartige Erkenntnisse.
Nur damit der interessierte Leser einmal versteht, um was es bei Verbrennungsmotoren geht und mit welchen Zahlen man arbeiten muss, möchte ich ein paar grundlegende Informationen liefern. 1 Liter Benzin hat einen Energieinhalt umgerechnet in Kilowatt-Stunden (kWh) von ca. 8,4 kWh, ein Liter Diesel 9,8 kWh.
Jetzt betrachten wir den Wirkungsgrad. Dieser Wert sagt aus, wieviel von der zur Verfügung stehenden Energie in Bewegungsenergie umgesetzt wird. Der übrig bleibende Rest wird in Form von Wärme an die Umgebung abgegeben. Überspitzt formuliert wird mit einem Verbrennungsmotor der größte Teil der Energie dazu benutzt, die Umwelt zu heizen. Laut meiner Recherche haben moderne Kraftfahrzeuge im optimalen Betrieb folgende Wirkungsgrade:
Die Grafik ist nicht besonders hoch auflösend, dafür aber stammt sie von einer Fach-Plattform (https://www.springerprofessional.de/). Hier findet man sehr ausführliche und hervorragend zusammengestellte Artikel zu verschiedensten Themenbereichen. Ich persönlich finde die Seriosität dieser Plattform außergewöhnlich hoch, aber wie gesagt - recherchieren Sie selbst.
Daraus ergibt sich ein Wirkungsgrad eines Diesel-PKWs im Stadtgebiet von 20%. Die 42% "Bestpunkt" bedeuten, wenn der Motor im optimalsten Korridor von Drehzahl und Temperatur am Prüfstand getestet wird. Dieser Wert hat mit der Realität leider nichts zu tun. Erwähnt werden muss aber, dass auch die 20% stark sinken, wenn das Fahrzeug beispielsweise im Winter sehr kalt bewegt oder häufig nur Kurzstrecke (unter 10 km) gefahren wird. Da braucht es einige Zeit, bis man sich diesem Wert annähert. Der Benzinmotor kommt lt. Springer Professional überhaupt nur auf 10-15%. Diese große Schwankungsbreite resultiert wieder daraus, dass dieser Wert sehr stark von äußeren Einflüssen (Geschwindigkeit, Temperatur, Drehzahl, Fahrverhalten etc.) abhängig ist.
Mit einer einfachen Formel können wir nun den Energieaufwand in kWh/100 km berechnen (diese Einheit ist sehr wichtig, damit wir sie dann später mit Elektromotoren vergleichen können - denn wir wollen ja Äpfel mit Äpfel vergleichen ;-). Laut https://www.spritmonitor.de/ verbraucht ein durchschnittliches Fahrzeug wie beispielsweise der Golf TDI (dieses Fahrzeug wähle ich zum optimalen Vergleichen, da es auch eine elektrische Variante des Golf, den e-Golf gibt) ca. 5,63 lt/100 km - ausgewertet aus 4.626 Einträgen (hier der Link zum Ergebnis:https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/50-Volkswagen/452-Golf.html?fueltype=1&vehicletype=1&exactmodel=tdi&powerunit=2.
Umgerechnet in kWh sind das 5,63 * 9,8 kWh = 55,174 kWh auf 100 km.
Das ist nur die Energie, die bei der Verbrennung der angeführten Menge Diesel frei wird. Nicht eingerechnet ist die Energie für die Erschließung, Förderung, Transport, Raffinierung, Weitertransport zum Endverbraucher etc. Darüber kann ich keine belastbaren Zahlen liefern außer dass es sehr viel Energie ist. Das ist für den ersten und sehr einfachen Vergleich Verbrenner vs. E-Fahrzeug derzeit noch nicht relevant. Wir merken uns die Zahl 55,174
Ein e-Golf liefert bei Spritmonitor nur ca. 100 Verbrauchseinträge und kommt auf 15,09 kWh/100 km. Ich kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass dieser Wert sehr nahe an der Realität liegt. Ebenfalls wird in dieser Zahl der Energieaufwand im Kraftwerk oder Wärmeverluste beim Transport bzw. Laden etc. nicht berücksichtigt. Wenn ich die 55,174 mit 20% multipliziere, komme ich auf 11,0348 kWh Energie, die für den Vortrieb aufgewendet wird (wir erinnern uns, der Rest sind Wärmeverluste). Angenommen, ich gehe davon aus, dass ein durchschnittlicher Golf auf 100 km 11,0348 kWh Vortriebsenergie benötigt, dann komme ich beim e-Golf auf einen Wirkungsgrad von 73,13 % (11,0348/15,09 in %).
Ganz nüchtern betrachtet und zugegeben sehr einfach gerechnet kommen wir beim Golf TDI auf einen Wirkungsgrad von ca. 20 %, beim e-Golf auf ca. 73 %. Also mehr als das Dreieinhalbfache.
Lasse ich die Wirkungsgrade vollkommen außen vor, dann ergibt sich nüchtern, dass für eine Strecke von 100 km ein Golf TDI 55,174 kWh, ein Golf TSI 57,54 kWh und ein e-Golf ca. 15,09 kWh Energie aufwändet. Das kurze Fazit aus diesen Zahlenspielereien ist, dass grundsätzlich elektrisch Fahren vom energiepolitischem Standpunkt aus wesentlich effizienter ist, als Diesel oder Benzin. Den Umweltgedanken lassen wir dabei vollkommen außen vor, damit möchte ich mich in einem anderen Beitrag beschäftigen.
Doch zurück zu meiner Geschichte, wie ich zur E-Mobilität gekommen bin. Irgendwann, ich denke es war ca. 2010 habe ich in einer Autozeitschrift einen Bericht eines Roadsters gelesen, der angeblich mit Strom fahren könnte, eine großartige Performance bot und eine ansprechende Reichweite aufwies. Sein Energiespeicher waren Lithium Ionen Akku-Zellen, die in unsere Notebooks verbaut wurden. Nur natürlich erheblich mehr. Das hat mich sofort begeistert, dass es nun langsam doch möglich sein, sogar ein Sportauto auf Elektrobasis zu bauen. Der Name des Fahrzeuges war Tesla.
Dann kam lange nichts, mit Ausnahme von Nissan Leaf und der Renault Zoe. Beides Fahrzeuge, die mir optisch nicht so richtig zugesagt haben.
Im Jahr 2014 sah ich das erste Mal Videos von Horst Lüning. Dieser Herr Lüning ist Unternehmer in Süddeutschland und hat einen sehr gut besuchten YouTube-Channel, in dem er Content zu verschiedensten Themen liefert - vor allem technischer Natur, was mir sehr gut gefällt. Hier wird mitunter auch ganz schön hin- und hergerechnet, Tabellen verglichen und Charts aufbereitet. Außerdem hat er eine nicht unerhebliche Anzahl von Berichten über seine Affinität zu Elektroautos insbesondere Tesla Model S, das er seit vielen Jahren selbst fährt und das viele hunderttausende Kilometer.
Also wusste ich seit 2014, dass es möglich ist, alltagstaugliche, benutzbare Elektroautos zu bauen. Leider gelang es bis dahin nur der Firma Tesla, ein in der westlichen Welt etabliertes Ladenetzwerk aufzubauen, das für die Nutzbarkeit von E-Autos auf Langstrecke unerlässlich ist. Kein anderer Autohersteller, auch wenn es Konzerne mit einem vielfachen Umsatz und Milliardengewinnen gibt, hielt es bis heute für notwendig, Ladestationen zu bauen, zu installieren oder den Betrieb zu überwachen. Ionity ist eine Ausnahme, aber hier werden bestimmte E-Autofahrer bzw. Modelle mit den Preisen regelrecht abgezockt. Anders kann man kWh-Preise von 80 ct und teilweise sogar noch mehr, nicht beschreiben. Zum Vergleich, am Tesla Supercharger kostet die kWh Strom 33 ct. (Stand Juli 2020) Ein fairer Preis.
Das einzige KO-Kriterium für mich war der astronomische Preise eines Tesla Model S. Ich bin wie Sie vielleicht wissen, Musikschullehrer und kann mir auf gar keinen Fall ein Fahrzeug im 80 bis 100 k Eurobereich leisten. So habe ich gewartet und mir die Modelle, die in homöopathischen Dosen auf den Markt kamen, genau angesehen und Testberichte verfolgt. Ein unverzichtbarer YouTube Channel in punkte E-Mobilität ist Björn Nyland (https://www.youtube.com/user/bjornnyland). Er testet alles was sich elektrisch auf unseren Straßen bewegen kann und bringt absolut unabhängige, alltagstaugliche Berichte. Er fährt mit den Fahrzeugen im Sommer wie im norwegischen Winter. Er vergleicht Herstellerangaben mit der Realität. Er testet was einem Fahrzeugbenutzer interessieren wird und lässt kaum etwas aus. Auch ist er trotz E-Auto-Fanboy sehr kritisch, egal ob es sich um Tesla oder einen anderen Hersteller handelt. Aus meiner Sicht sehr zu empfehlen.
Ende 2016 hat er den Hyundai Ioniq getestet und war von dessen Leistungen in Punkte Effizienz und Reichweite trotz "Miniakku" (nur 28 kWh Nettoladeinhalt) sehr beeindruckt. Da mein altes Auto (Ford S-Max BJ 2006 TDI) langsam Rost ansetzte und diverse altersbedingte Mängel auftraten, die erhebliche Investitionen erforderlich machen würden, entschloss ich mich im Mai 2017 für einen Hyundai Ioniq elektro. Ein Neuwagen hätte eine Lieferzeit von über einem Jahr gehabt, aber wie es der Zufall so will, war gerade ein Vorführwagen aus Villach verfügbar, für den ich mich dann entschied. Also bin ich seit Juni 2017 zufriedener Elektromobilist und habe in drei Jahren rund 20.000 km damit zurückgelegt.
Bilanz dieser drei Jahre: ca. 4.500 lt Diesel, die nicht verbrannt wurden. Keine Wartungskosten mit Ausnahme der Arbeit für das jährliche Service. Kein Ölwechsel, Keine Defekte. Nie wegen leerem Akku stehen geblieben. Keine Fußgänger umgefahren. Herrlich entspanntes Fahren auch und vor allem auf Langstrecke. Man glaubt gar nicht, wie sehr die winzigen Vibrationen und das Brummen eines Verbrennungsmotors auf Dauer nerven können. Im Winter ist die Vorheizmöglichkeit eine unbeschreibliche Komfortkomponente. Es gibt auch keinen Kaltstart, auch wenn er nicht vorgeheizt wurde.
Natürlich habe ich dennoch negative Erfahrungen gemacht. Man kann sich viel schön reden. Auf längeren Strecken (>200km am Tag) muss man mit Ladepausen rechnen und man braucht eine funktionierende Ladeinfrastruktur. Mich stört es bis heute, dass man immer einen Plan B und manchmal sogar einen Plan C braucht, da Plan A höchstwahrscheinlich nicht einzuhalten ist. Entweder ist die Ladesäule besetzt oder defekt - ähnlich wie Toiletten: entweder besetzt oder beschissen ;-).
Trotzdem ist dieses Fahrzeug im Alltag so angenehm zu bewegen im Sommer wie auch im Winter. Ich persönlich werde nie wieder einen Verbrenner fahren. Mein Wunsch für die Zukunft wäre jedoch, eine verbesserte, funktionierende und leistbare Ladeinfrastruktur in ganz Europa und eventuell ein Fahrzeug mit 400 km realistischer Reichweite im Sommer wie auch im Winter (zumindest nicht viel weniger).
In den nächsten Beiträgen zur Elektromobilität möchte ich im Laufe der Zeit diverse Punkte ansprechen, die immer wieder in meinem Bekanntenkreis zu Diskussionen geführt haben und auch immer noch führen. Bis dahin danke ich für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.